Jahresbericht 2013 Internet - page 11

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Bau Saar
bauwi rtschaft zum
koal i t ionsvertrag
Das Glas ist halb voll!
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/
CSU und SPD ist insbesondere aus der
Wirtschaft heftig kritisiert worden. In ei-
nigen Punkten sicher nicht zu Unrecht,
denkt man nur an die Rolle rückwärts
in einigen arbeitsmarktpolitischen The-
men und die enorm teuren rentenpo-
litischen Beschlüsse. Dennoch kann
der Koalitionsvertrag im Kern als ein
Bekenntnis zu mehr Investitionen und
gegen neue steuerliche Belastungen
für Bürger und Unternehmen gewertet
werden.
Verkehrsinfrastruktur
Auf der Habenseite steht aus Sicht der
Bauwirtschaft insbesondere das klare
Bekenntnis der zukünftigen Regierungs-
parteien zu substanziellen Erhöhungen
und zur Verstetigung der Mittel für die
Verkehrsinfrastruktur. Zu bedauern ist
zwar, dass sich die Koalitionspartner da-
bei nicht auf eine konkrete Summe für
die Legislaturperiode festgelegt haben.
Das Sofortprogramm in Höhe von 5 Mil-
liarden Euro für dringend erforderliche
Verkehrswegeinvestitionen für die neue
Legislaturperiode ist allerdings ein guter
erster Schritt. Weitere müssen folgen.
Denn die eigentlich notwendigen Inves-
titionen in die Verkehrsinfrastruktur zur
Erhaltung der Werte liegen weitaus hö-
her, nämlich laut Daehre-Kommission
bei jährlich 7,5 Mrd. Euro – und das für
eine Dauer von 15 Jahren. Einer Studie
des Instituts für Urbanistik zufolge be-
läuft sich der Investitionsbedarf allein
bei kommunalen Straßenbrücken bis
2030 auf 16 Mrd. Euro bzw. 930 Mil-
lionen Euro jährlich. Von den 67.700
kommunalen Straßenbrücken in ganz
Deutschland müssen 10.000 bis 2030
ersetzt werden, das sind rund 15 %.
Deutschland liegt im Übrigen, was die
Investitionstätigkeit anbelangt, im eu-
ropäischen Mittelfeld. 142 Euro inves-
tierte Deutschland 2011 je Einwohner in
Straßen und Brücken. Der Durchschnitt
der übrigen untersuchten Länder – es
waren 13 an der Zahl in Europa - lag bei
226 Euro. Unsere europäischen Nach-
barn haben in den letzten Jahren ihre
Straßeninvestitionen im Durchschnitt
um ein Drittel erhöht. Unter Berücksich-
tigung der Baupreissteigerungen sanken
die Investitionen in Straßeninfrastruk-
tur in Deutschland seit 2000 real um
20 Prozent und erreichten 2011 einen
Tiefststand.
Weitere Schritte müssen auch bei der
konkreten Ausgestaltung der Überjäh-
rigkeit der Infrastrukturfinanzierung
folgen. Um diese zu realisieren und
Planungssicherheit herzustellen, ist die
Einrichtung von verkehrsträgerbezoge-
nen Infrastrukturfonds, verbunden mit
langfristigen Finanzierungsvereinbarun-
gen zwischen Bund und Fonds, zwin-
gend erforderlich. Daran werden wir die
Regierungsparteien in den kommenden
Monaten erinnern!
Erreichen konnte die Bauwirtschaft da-
rüber hinaus die Ausweitung der Nut-
zerfinanzierung sowie ein grundsätzli-
ches Bekenntnis zu ÖPP. Die Einführung
einer Pkw-Vignette und die Ausweitung
der Lkw-Maut auf Bundesstraßen mit
der Zusage, dass die zusätzlichen Mittel
unmittelbar in die Infrastruktur fließen,
sind seit langem zentrale Forderungen
der Bauwirtschaft, die nun erstmals
schriftlich vereinbart wurden.
Sozial- und Tarifpolitik
Erfreulich für die Bauwirtschaft sind die
Ergebnisse im Bereich der Tarif- und
Sozialpolitik. So soll künftig die Allge-
meinverbindlicherklärung nach dem
Tarifvertragsgesetz an ein „öffentliches
Interesse“ geknüpft werden, dafür soll
das 50 Prozent-Quorum entfallen. Auch
die Forderung der Bauverbände, die
Überprüfung der Rechtmäßigkeit von
Allgemeinverbindlicherklärungen den
Arbeitsgerichten zuzuweisen, wurde
aufgegriffen. Mit der Erklärung, den
Grundsatz der Tarifeinheit gesetzlich
festzuschreiben, wird eine von den drei
Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft
bereits im Jahr 2011 erhobene Forde-
rung erfüllt.
Die im Vorfeld diskutierten Verschärfun-
gen im Mitbestimmungsrecht bei der
Beschäftigung auf Basis von Werkverträ-
gen konnten auf Informations- und Un-
terrichtungsrechte beschränkt werden.
Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrates bei der Beauftragung
von Werkverträgen ist damit erst einmal
vom Tisch. Negative Auswirkungen für
mitbestimmte Bauunternehmen konn-
ten abgewendet werden.
Wohnungs- und Städtebau
Licht und Schatten sind im Bereich
Wohnungs- und Städtebau zu finden.
Auf der Habenseite stehen das Akti-
onsprogramm zur Belebung des Woh-
nungsbaus und der energetischen Ge-
bäudesanierung, die Aufstockung der
CO
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-Wohnungssanierungsprogramme
der KfW sowie die Anhebung der Mit-
tel für die Städtebauförderung auf 700
Millionen Euro. Dem stehen jedoch
Maßnahmen mit negativen Impulsen
gegenüber, wie die Begrenzung der
Mieterhöhungsmöglichkeiten bei Wie-
dervermietung und die Begrenzung der
Modernisierungsumlage. Leider sind
auch die Wiedereinführung der degres-
siven Abschreibung sowie die steuer-
liche Förderung der Geäudesanierung
den Sparzwängen zum Opfer gefallen.
Hier muss in der konkreten Regierungs-
arbeit noch nachgebessert werden, um
die notwendigen Investitionsimpulse zu
setzen.
Energiepolitik
Im Bereich der Energiepolitik wurde
leider das Ziel verfehlt, durch grundle-
gende Weichenstellungen mehr Ver-
lässlichkeit und Planungssicherheit zu
erreichen. Positiv für die Bauwirtschaft
ist allerdings, dass die wichtigen The-
men Speicher und Netze sehr deutlich
angesprochen werden.
Auch bei der angebrachten Kritik im
Einzelnen: Der Koalitionsvertrag bietet
gerade für die Bauwirtschaft eine Reihe
von positiven Ansätzen. Fazit aus Sicht
der Bauwirtschaft: das Glas ist halb voll.
Wir werden dafür kämpfen, dass es in
den nächsten Jahren weiter gefüllt wird.
Die Voraussetzungen dafür stehen nicht
schlecht!
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